Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Stadtentwicklung und Umwelt

Nicht nur die Kernstadt, auch die Ortsteile der Stadt Wolfenbüttel liegen mir, wie stets betont, sehr am Herzen. Da ist es nur konsequent, dass sich meine Dialogbesuche bei Unternehmen und Einrichtungen nicht nur auf das Stadtgebiet beschränken, sondern auch „auf dem Land“ stattfinden. Jüngst durfte ich Familie Lörcher in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb in Fümmelse über die Schulter blicken.

Es war schwer, zwischen Rübenernte und Weizenaussaat einen Termin zu finden. Noch vor dem aktuellen Lockdown hat es allerdings geklappt. Ich bin von Alexander und Wilhelm Lörcher, seinem Vater, nett und herzlich empfangen worden. Gleich vorab: Ich habe einen hervorragend geführten Betrieb erleben dürfen.
Familie Lörcher betreibt den Hof in dritter Generation. Alexander Lörcher bewirtschaftet rund 370 Hektar landwirtschaftlicher Flächen, somit gehört der Betrieb zu den größten in der Stadt Wolfenbüttel. Lörcher berichtete über den Betrieb, die Zusammenarbeit in den landwirtschaftlichen Interessentenschaften und seine Ambitionen, die Erwerbsgrundlage zu erhalten und zu erweitern. Das ist der Boden. Stets ein wichtiger Gegenstand im Verhältnis zwischen Stadt und Landwirtschaft und nicht selten sehr umstritten. Städtebauliche Entwicklungen hängen mit ihren Baugebietsausweisungen häufig von der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen ab. Nicht nur deshalb sind wir als Stadt auf die Landwirtschaft angewiesen. Sie leistet den größten Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft und erhält das uns lieb gewonnene Landschaftsbild.

Anschließend zeigten mir Alexander Lörcher und Martina Reingruber die Haflingerzucht, die bereits seit der ersten Generation am Hof betrieben wird und national wie international bekannt ist. Wilhelm Lörcher berichtete über die Entwicklung des Hofs, den Betrieb und seine Verbundenheit zum Ortsteil. Eins ist klar, die Familie ist mit Fümmelse verwachsen, mindestens genauso wie der Hof selber ein prägender Bestandteil für den Ortsteil ist.

Die Landwirtschaft erfüllt inzwischen viele Aufgaben von allgemeinem Interesse. Das sind unter anderem die Unterhaltung der Gräben in der Flur, der Wege immer wieder ein Streitpunkt, wenn es um Radverkehrsverbindungen geht und zunehmend die Unterhaltung von Ausgleichsflächen. Oft schließt die Stadt im Zusammenhang mit städtebaulichen Maßnahmen Verträge über die Bewirtschaftung von Flächen im Sinne des Artenschutzes zur Erhaltung der Lebensräume für bedrohte Arten ab.

Jüngst haben NABU, BUND, das Landvolk Niedersachsen, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Ministerpräsident Stefan Weil unter dem Motto „Der Niedersächsiche Weg“ eine bundesweit einmalige Vereinbarung geschlossen. Hierdurch soll der Artenschwund beendet werden und mit einem Ausgleich für die Landwirtschaft Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalten bleiben.
https://www.artenretter-niedersachsen.de/

Auch oder gerade wir als Stadt müssen hier unseren Beitrag leisten. Da habe ich unter anderem schon Ideen zu vernetzten Freiraumstrukturen und möchte die Mittel für den Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft in sinnvolle ökologische Maßnahmen lenken z.B. die Gewässerrenaturierung. Dazu muss man zuerst einmal die Bodenfrage lösen. Die Stadt hat ein sehr gutes Liegenschaftsmanagement. Als Stadt werden wir uns künftig in einem Bodenmanagement über die Stadtgrenzen hinweg engagieren müssen. Ich möchte auch noch einen Schritt weiter gehen und habe die Absicht Gespräche zum Aufbau eines interkommunalen Bodenfonds aufnehmen. Nur so können die unterschiedlichen Interessen zusammengebracht werden. Konkret, finanziert und gerecht für alle Beteiligten.

Alles in allem geht es ohne die Landwirtschaft nicht. Sie ist der Partner, den man in Fragen der Stadtentwicklung, der Natur und Landschaftspflege und wenn man Umweltschutz ernst nimmt, nicht übergehen darf. Die Landwirtschaft in Wolfenbüttel ist der größte Flächennutzer und hat daher den bedeutendsten Einfluss auf Böden, Gewässer, Luft, Klima, die biologische Vielfalt und die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Sie erhält unseren Erholungsraum und das Ortsbild.
Deshalb ist es mein ausdrückliches Ziel, eine flächensparende Stadtentwicklung, die sorgsam mit dem kostbaren Gut Boden umgeht, umzusetzen und dabei trotzdem nicht die Entwicklungsziele der Stadt aus dem Auge zu verlieren – immer das große Ganze im Visier.